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Interview mit Tim Birkner

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Klingende Steine und schwebende Obertöne

VON TIM BIRKNER
  
       
Ich sitze in der Krankenkapelle in Kutzenberg ganz hinten. Beide Füße stehen fest auf dem Boden, mein Blick kann durch die großen Fenster ins Maintal schweifen. Draußen dämmert es und ich vibriere. Meine Füße spüren die Musik zur Passion, die ganz vorne in der Kapelle spielt. Dort sitzt Markus Bauer auf dem Boden, barfuß, vor sich einen schwarzen Klangstein. Der indische Granit ist so groß wie der Schuhkarton von Wanderschuhen und so schwer wie der ganze Wandersmann: siebzig Kilo.
Links und rechts stehen zwei Glasschüsseln mit Wasser. In meinen Ohren pfeift es. Der Stein klingt durchaus lieblich. Er singt wie eine Mischung aus singender Säge und angeschlagener Klangschale. Markus Bauer streicht versunken mit seinen feuchten Fingern links und rechts die Lamellen seines Steines. Die Udu setzt ein. Raimund Wiener hält die afrikanische Tontrommel, die wie eine bauchige Flasche mit Loch in der Mitte aussieht, im Arm.


„Wo stehe ich selbst?“ Die Antwort auf diese Frage zu finden, sei Aufgabe der Fastenzeit, sagt Pastoralreferent Alfons Staudt, der das Konzert organisierte und die schwer greifbaren Klänge am Mittwochabend, 7. März 2007, in einen religiösen Kontext stellt. Ich sitze erst einmal; Und zwar inmitten von 60 anderen Zuhörern, die irgendwo zwischen interessiert, verwundert und fasziniert den Klängen lauschen, während es draußen langsam dunkel wird und nur noch Teelichter die Kapelle beleuchten. Mit Obertongesängen ziehen die beiden Musiker ein, mit Obertongesang beenden sie ihr Konzert nach eineinhalb Stunden auch. Wiener erklärt vor seinem Obertonsolo, wie die kaum ortbaren Töne entstehen. Sie sind Bestandteil jeder Stimme, nur normalerweise nicht einzeln heraushörbar. Obertonsänger verstärken die Teiltöne, indem sie sie in verschiedene Resonanzräume ihres Körpers schicken. Das klingt dann, „als wenn die Engel singen“, wie eine Zuhörerin hinterher sagt. Die Decke der Kapelle ist frei von Gemälden, doch genau dort oben scheinen sich jetzt Engel zu manifestieren, die Obertöne herunterpfeifen.


Für meine europäischen Ohren klingt das meditativ, doch Wiener weiß, dass im Ursprungsland des Obertongesangs, in der Mongolei, diese Musik schlicht Volksmusik ist. Und damit das Volk auch hier, hoch über dem Maintal, mitmachen darf, bringt Wiener ihm die ersten Schritte bei: Man nehme das englische „you“ und das französische „oui“ und spreche die Worte in Zeitlupe hintereinander, wobei man auf jedem Vokal verharre und mit ihm spiele.


3 Fragen an Markus Bauer


Klänge, die der Stein mir anbietet Am Mittwoch um 18 Uhr spielen Sie Klangsteine in einem Konzert in der Kapelle Kutzenberg. Was ist eigentlich ein Klangstein?


Die Steine, wie ich sie spiele sind große, polierte, gesägte Steinblöcke wie zum Beispiel Serpentinit, Travertin, Granit und Marmor. Sie werden mit nassen Fingern und Händen zum Schwingen und Klingen gebracht. Das Wasser bildet einen Film und nimmt die Härte des Steins. Ein Klangstein muss erst eingespielt werden und der Klang entwickelt sich stetig weiter. Ich kann auch nicht sagen, ich möchte jetzt diesen Ton spielen, ich muss das annehmen was mir der Stein anbietet.


Wie klingen denn Ihre Steine?


Es können hohe, flirrende Töne sowie auch sehr tiefe brummende und summende Töne möglich sein, die in ihrer Klangfarbe sehr klar sind. Aber auch die Vermischung der Töne ergibt einen Klangteppich, der sehr komplex ist. Ein Sufimeister sagte, in den Steinen sei die Klangvielfalt aller Instrumente dieser Welt enthalten.


Ist es leicht, einen Stein zum Klingen zu bringen?


Jeder kann das Klangsteinespielen erlernen. Es sind keinerlei Voraussetzungen erforderlich. Man sollte allerdings sehr behutsam an den Klangstein herangeführt werden, denn beim Spielen werden sehr starke Kräfte und Energien freigesetzt. Sie bringen alles um sich herum zum Schwingen. Die Faszination Klangstein ist: Ich kann in den Stein hineinkriechen, mit ihm verschmelzen, kommunizieren, mich ausdrücken. Ich kann mich einlassen und kann getrost annehmen, was mir der Stein anbietet und das ist sehr viel, wenn ich es zulasse. Ich spüre die Schwingungen im ganzen Körper und bekomme eine enorme Energie und Kraft aus dem Stein. Man lernt das Hören mit den Fingern und Händen beim Spielen mit dem Stein. Mit fast jedem Stück der Finger oder der Hände wird ein anderer Ton aus dem Stein gelockt. Diese Reinheit und Klarheit der Töne zu erfahren, zu hören und zu spüren, macht für mich das Besondere aus. Auch hat sich mein normales Gehör durch den Klangstein sehr verändert. Wenn ich Lieder von früher im Radio höre, bemerke ich immer öfter, dass ich immer wieder neue Instrumente höre, die ich früher nicht wahrgenommen habe.
 
 

 

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